Der sehr kleine Hamburger Verlag Punktum verfügt über ein überschaubares, professionell
gestaltetes Programm. Dazu zählt das 220 Seiten schlanke Roman-Debut von Frank Brendel,
das bereits 2015 als "Das Feld" vom Autor im Eigenverlag herausgegeben wurde.
Patricia Paweletz und Gabi Schnauder von Punktum-Bücher haben ein gutes Gespür bewiesen,
als sie diese Perle in ihr Verlagsprogramm aufnahmen. Zwar bringt die alltagsnahe Sprache das
Beschriebene nicht eigens zum Leuchten, aber dafür finden sich auch keine Manierismen und
Stilbrüche. Die unpoetische aber klare Sprache dient als unkomplizierter, vertrauenswürdiger Führer
in die Textwelt. In dieser finden vier Personen an einem Flughafen zusammen. Weil durch den Ausbruch
eines isländischen Vulkans der Flugverkehr eingestellt worden ist, teilen sich der schmierige Lars Kleinschmidt,
die introvertierte Inga Zager, der Nerd Matthias Sobiel und die zugleich toughe und traumatisierte Yasmin Halabi
einen Mietwagen. Auf ihrer nächtlichen Fahrt geraten sie immer weiter vom Weg ab und schließlich in ein riesiges
Maislabyrinth, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint.
"Kein Wunder, dass die Uhr stehen geblieben war, überlegte Sobiel. Wie sollte sie auch messen, wie lange man von A nach B braucht, wenn es hier überhaupt kein B gab? Stattdessen nur eine unendliche Anzahl von identischen A's ... Eine Sinnestäuschung? Ein bizarres Experiment? Ein Hinterhalt? Ein Fluch?"
Das Buch ist Klasse! Es richtet sich lässig zwischen U und E und Genres wie Thriller, Roadmovie und Drama ein.
Frank Brendel meistert souverän sowohl die zahlreichen Perspektivwechsel, als auch die Rückblenden,
in denen die vier Charaktere immer greifbarer werden. Dabei wahrt der Autor eine warmherzige Distanz zu seinen
Figuren. Brendel bedient weder sentimentale Stimmungen noch die Lust am oberflächlichen Verurteilen. Auch
Kleinschmidt, der zunächst am wenigsten zur Sympathie einladende Charakter, kam mir zunehmend näher und wuchs
dabei aus der Eindimensionalität des Blödmanns zu einem Menschen, wie er nun einmal jetzt nicht anders sein kann.
Neben der gelungenen Polyperspektive und dem reifen Menschenbild sehe ich die große Stärke Brendels in seinem
Zugang zur Welt, die er als großes, staunenmachendes Wunder beschreibt . Die innere wie die äußere Wirklichkeit sind bei Brendel durch Aufklärung und Wissenschaften nicht kleiner und geheimnisloser geworden. Im Gegenteil: Der magische Realismus geht hier Hand in Hand mit einem großen, teilweise nerdigen Interesse an wissenschaftlichen Phänomenen, ohne durch weltanschauliche Eindeutigkeit platt zu werden. Es mag sein, dass manche Leser Ausführungen zu Tiefsee, Quantenmechanik oder dem Materieerhalt im Universum langweilig finden, ich finde sie toll. Und wenn Brendel am Ende einer zunehmend unheimlichen Reise die Hoffnung quasi-wissenschaftlich als selbstverständliche Kostbarkeit des Universums definiert, dann stellt er sich in eine an den guten Möglichkeiten der Menschen interessierte Tradition, die von Paulus bis zu den Humanisten reicht und mir bleibt zu sagen: Guter Autor, gutes Buch, mehr davon!
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