2016. Ein Mut machender Jahresrückblick.

 

 

Obwohl es nun wirklich alt genug ist, möchte ich 2016 in Schutz nehmen. Mir persönlich bedeutet das Jahr viel mehr als Terror, Trump und Trottel. Deshalb habe ich ein paar gute Nachrichten aus dem Jahr 2016 zusammengestellt. Und dabei sind meine persönlichen Köstlichkeiten noch nicht einmal aufgeführt.

 

Ich beginne mit dem Dezember 2015. In diesem Monat veröffentlichte Amnesty International Deutschland in seinem Magazin dieses Interview mit Steven Pinker. Darin legt der Evolutionsbiologe dar, dass die Menschen immer friedlicher werden und immer weniger Menschen durch Krieg und Gewaltverbrechen sterben. Und Pinker kann auf etliche Studien, Erhebungen und Untersuchungen verweisen.  Zwei Beispiele: 1. Die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) zählte 1993, zu Beginn ihrer Erfassungen, 63 Kriege und bewaffnete Auseinandersetzungen auf der Welt. 2013 und 2014 kamen die Hamburger Forscher auf jeweils 31 – der niedrigste bisher ermittelte Wert. 2. Das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, sinkt. Zwischen 2003 und 2013 sind, relativ zur Größe der Weltbevölkerung, Morde seltener geworden, Vergewaltigungen ebenfalls und Raubüberfälle auch. Einbrüche – in Deutschland derzeit ein großer Grund zur Sorge – sind im globalen Maßstab besonders stark zurückgegangen, dasselbe gilt für Autodiebstähle.

 

Außerdem: Die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, ist sehr stark gesunken: Lebten 1990 noch 1,9 Milliarden Menschen von weniger als 1,25 Dollar am Tag – die Definition der Weltbank für extreme Armut –, dürften es in diesem Jahr unter 800 Millionen sein. Da die Weltbevölkerung gewachsen ist, ist der Anteil der Armen noch stärker gefallen: von 47 Prozent (1990) auf 14 Prozent (2015).

 

Und heiter weiter: Ab Anfang des Jahres gilt die Selbstverpflichtung der Firma Intel. Die Computerfirma verzichtet nach mehreren Zwischenschritten mittlerweile auf alle Rohstoffe (vor allem Tantal, aber auch Wolfram, Zinn und Gold) aus Zentralafrika, da mit deren Kauf Milizen und Söldner in Bürgerkriegen finanziert werden. Die Initiative begann 2008 und ist zum Jahresbeginn 2016 komplett umgesetzt.

 

Im Januar präsentiert Deutschlandradio Wissen die Forschungsergebnisse des Ökonomen Max Roser. Roser beschäftigt sich in Oxford mit Lebensstandards. Sein Schluss: Uns geht es besser denn je.

 

Im Februar konnten zumindest die PhysikerInnen samt interessierten Laien jubeln: Am 11. Februar konnten Forscher des US-Observatoriums Ligo etwas bekannt gegeben, was in Fachkreisen sofort als Sensation gehandelt wurde: Ihr gigantisches Messgerät hatte Wellen aus dem Weltall eingefangen, wie es sie laut Albert Einstein geben müsse. Der hatte diese Gravitationswellen schon im Jahr 1916 beschrieben – nur nachweisen konnte sie bis zum Jahr 2016 niemand. Zufällig gelang das genau 100 Jahre später.

 

Im März 2016 veröffentlicht die Ärztezeitung eine Spendenstudie für Deutschland im Jahr 2015. Das Ergebnis: Die Deutschen spenden mehr als je zuvor.

 

Im April findet sich im Handelsblatt ein Artikel über die Erfolgsgeschichte der EinDollarBrille. Hintergrund: Mehr als 150 Millionen Menschen auf der Welt bräuchten eine Brille, und noch einmal 550 Millionen zumindest eine Lesebrille, aber sie können sich keine leisten. Kinder können nicht lernen, Eltern können nicht arbeiten und für ihre Familien sorgen. Die EinDollarBrille besteht aus einem leichten, flexiblen Federstahlrahmen. Sie wird von den Menschen vor Ort selbst hergestellt und verkauft. Die Materialkosten: rund 1 US-Dollar. Die Idee stammt von dem Lehrer Martin Aufmuth.

 

Großartig ist auch die Geschichte des „Waldmachers“ Tony Rinaudo, der entdeckt hat, wie sich verödete Gebiete in Afrika auf sensationelle Weise begrünen lassen. Der Schweizer Tagesanzeiger berichtet im Mai darüber.

 

Juni: Sommerpause.

 

Juli: Es könnte eine kleine medizinische Sensation sein. Wissenschaftler der Universität Duisburg-Essen verkünden einen Durchbruch bei der Frage, wodurch Multiple Sklerose ausgelöst wird. Außerdem: Immer neue Erkenntnisse im Kampf gegen Krebs und Aids. Und Erfolge im Kampf gegen die Malaria. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass viele von uns noch entscheidende  medizinische Verbesserungen gerade im Kampf gegen fiese Krankheitsbilder wie Krebs erleben werden.

 

August: Große, dreisprachige Umfrage unter Flüchtlingen zu ihrem Bild von Deutschland von der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft. Ergebnis: Die übergroße Mehrheit der Flüchtlinge fordert eine klare Trennung von Staat und Religion und bekennt sich ausdrücklich zur Demokratie. Allerdings liegt bei vielen Flüchtlingen ein anderes Demokratie-Verständnis zu Grunde. Das Wertebild vieler Flüchtlinge ist in Bezug auf Ehe, Sexualität und Familie konservativ und ähnelt in zentralen politischen Teilen am ehesten dem der AfD-Anhänger und anderer rechtspopulistischer Bewegungen. Anders als von Rechtspopulisten behauptet, meinen die meisten Flüchtlinge, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte haben sollten.

 

Am 2. September veröffentlicht die Evangelische Kirche Deutschland das Ergebnis von repräsentativen Umfragen zum Thema „Hilfe für Flüchtlinge“. Die Befragungen wurden zwischen dem November 2015 und August 2016 durchgeführt. Ergebnis: Trotz Anschlägen und Dauerfeuer der rechten Hetzer (vor allem in den sozialen Medien): Die Deutschen wollen Menschen in Not helfen. Drei von vier Deutschen können sich einen persönlichen Beitrag zur Flüchtlingshilfe vorstellen. Die Zahl der in der Flüchtlingshilfe Engagierten  ist 2016 weiter gestiegen (November 2015: 10,9 Prozent, Mai 2016: 11,9 Prozent).

 

Oktober:  Australien verbietet Tierversuche für Kosmetika. (In Indien werden seit Juni 2013 keine Tierversuche für Produkte und Rohstoffe in der Kosmetik geduldet.) Auch interessant: In Ruanda sind seit 2006 Plastiktüten komplett verboten. Wird eine gefunden, soll sie recycelt werden. Ruanda hat sich das Ziel gesetzt, in naher Zukunft ganz plastikfrei zu sein.

 

Noch etwas Erfreuliches aus dem Monat Oktober: Der Kampf gegen den Klimawandel könnte dank eines Versehens einen großen Schritt weiter gekommen sein. US-Forscher haben durch Zufall eine Methode entdeckt, mit der sich CO2 in Ethanol umwandeln lässt, das als Treibstoff genutzt werden kann – kostengünstig und ohne großen Aufwand.

 

November: Ganz wichtig: Kuscheln hilft gegen Novemberblues. so der Leipziger Haptikforscher Martin Grunwald laut Unsere Kirche – der Zeitung mit der guten Nachricht.

Kommentar von Schallblech, 18. November 2016, 11:19 Uhr: „Was ist neu daran? ;) Interessant ist nur, daß Blechbläser ähnliche Erfahrungen machen, außer, dass der Atem eher tiefer wird. Also: Kuscheln oder Posaune üben!“

 

Dezember: Kurz vor seiner Amtsübergabe an Donald Trump erklärt Obama Gebiete in der Arktis von der Größe Spaniens und 31 Unterseecanyons im Atlantik zu Schutzzonen. Für diese Gebiete dürfen keine neuen Lizenzen für Öl- und Gasbohrungen vergeben werden. Damit sollen die einzigartigen und vielfältigen Ökosysteme sowie die Interessen der Ureinwohner geschützt werden, hieß es aus dem Weißen Haus. Der Schritt Obamas erfolgte in Kooperation mit Kanadas Premier Justin Trudeau, dessen Regierung ebenfalls einen Stopp entsprechender Lizenzen für arktische Gewässer verhängte.

 

Noch was: In Dresden trifft sich Pegida. Aus Dresden stammt auch die Organisation Friends of Dresden, die einen „Internationalen Friedenspreis“ vergibt. Dieses Jahr ging der Preis an Domenico Lucano, den Bürgermeister des italienischen Örtchens Riace. Der Bürgermeister von Riace schuf mit dem »Dorf des Willkommens« ein einzigartiges Projekt des Miteinanders von Italienern und Flüchtlingen. Seit 18 Jahren werden hier in großer Zahl Migranten aufgenommen und mit Wohnung, Arbeit sowie Sprachunterricht in das Dorfleben integriert. Von derzeit 1800 Bewohnern Riaces kamen 550 als Flüchtlinge, belebten das Dorf und verhinderten die Schließung der örtlichen Schule. Inzwischen kommen aus aller Welt Besucher nach Riace, um sich dieses Maßstäbe setzende Modell im Umgang mit Migranten anzuschauen.

 

Noch ein Nachtrag: Auch die Superreichen können sich 2016 (mal wieder) freuen (harharhar), konnten sie doch ihr Gesamt-Vermögen im Jahr 2016 um 237 Milliarden Dollar steigern. Ob damit alle etwa 2000 Milliardäre gemeint sind oder nur die Top-50 oder Top-100 ist dem etwas fischigen Artikel leider nicht zu entnehmen.

 

Abschließend noch ein paar weitere aufmunternde Links. Die NZZ präsentiert einen positiven Jahresrückblick. Hier finden sich in einem etwas älteren Artikel 20 Gründe, warum das Leben heute besser ist denn je. Und hier kommt Medizinprofessor Hans Rosling zu Wort: Die Welt wird besser und keiner glaubt es.

 

So, danke, euch allen ein citrus-frisches Jahr 2016 voller guter Ideen und Taten, und tschüss!

 

P.S.: Vielleicht sollte ich das Cortison absetzen. Das Zeug macht hammer-high.

 

 

 

 

 

 

 

 

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