Franziska Augstein "Was zu lange währt". Eine kommentierte Durchsicht.

Auf Spiegel Online erschien am 25.01. 2021 unter der Rubrik "Post von Augstein“ eine Kolumne von Franziska Augstein zu den Corona-Maßnahmen, die ich hier meinerseits kommentieren will. Anhand des Textes lässt sich meines Erachtens exemplarisch zeigen, wie Meinungsartikel arbeiten, wenn sie nicht auf Erkenntnisgewinn, sondern auf Stimmungsmache abzielen. In den eckigen Klammern finden sich meine Kommentare zu den darüber stehenden Textpassagen des Artikels von Franziska Augstein (in Dunkelrot) Dabei gebe ich den gesamten Artikel von Augstein wieder.

 

Weil diese Kolumne auch für Leute geschrieben wird, die Covid-19 für bloß eine neue Art von Grippe halten, sei eingangs festgestellt: Wer das denkt, ist im Irrtum. Das Virus ist gefährlicher als die bekannten Influenzaviren. Weltweit sind viele junge, gesunde Ärzte über der Behandlung ihrer Patienten daran gestorben. Bei einer normalen Grippe wäre das gewiss nicht der Fall gewesen.

 

[Gut, dass Augstein klarstellt, dass sie Covid-19 für gefährlicher als Influenzaviren hält. Andererseits traurig, dass das immer noch vonnöten zu sein scheint. Später im Artikel stellt sie allerdings die Gefährlichkeit von Covid-19 in Frage. Davon abgesehen: die Menschen, die das anders sehen, werden sich durch Augsteins Feststellung nicht überzeugen lassen.] 

 

Annähernd die Hälfte der Deutschen ist bekanntermaßen ein Volk von Hobbyfußballtrainern, die vor dem Fernseher den Spielern Bescheid geben. Seit Monaten ist mehr als die Hälfte notgedrungen ein Volk von Hobbymedizinern.

 

[Die Hälfte der Deutschen? 42 Millionen Menschen? Okay, das soll auf überspitzte Weise einen Gedankengang anschaulich machen: Jetzt halten sich alle irgendwie für berechtigt, über das Virus und seine Folgen zu reden, obwohl sie gar keine Ahnung haben. Das wirft die Frage auf: Was berechtigt Frau Augstein? Und warum ist nun anders als beim Fußball „mehr“ als die Hälfte ein Volk von Hobbyexperten? Und warum „notgedrungen“? Und kann die Hälfte der deutschen Bevölkerung „ein Volk“ sein? Ja, das sind vor allem stilistische und semantische Einwände. Aber meist ist es so: Wer nicht klar schreibt, hat beim Schreiben auch nicht klar gedacht. Der ganze Sinn dieser Passage ist die Aussage: „Alle reden was, aber nur wenige haben Ahnung. Zum Beispiel ich!“]

 

So erratisch sind die von den Regierungen von Bund und Ländern verordneten Anordnungen, so widersprüchlich sind die Empfehlungen des staatlichen Robert Koch-Instituts gewesen, so eingenordet auf die Regierungslinie sind die meisten Medien, dass viele Bürger sich nicht anders zu helfen wissen, als ins Internet zu steigen, um sich schlau zu machen. Dabei wird dann oftmals Spökenkiekerei aufgegabelt und mit sachlicher Information verwechselt.

 

[Nun nimmt der Text Fahrt auf. In einem großen Abwasch erfahren wir, dass die Anordnungen erratisch sind (ich übersetze: wirr, willkürlich). Und zwar sowohl die des Bundes, als auch die der Länder. Dabei geht Augstein nicht auf das Problem der Bundesregierung ein, in einem föderalistischen Staat die Minister*innen sämtlicher Bundesländer von einer einheitlichen Linie zu überzeugen. Wir erfahren, dass die Empfehlungen des RKI widersprüchlich waren, ohne dass Augstein erwähnt, was sie meint, noch dass Wissenschaft gegenüber einem neuen Virus dynamisch ist, das heißt: Man lernt dazu und korrigiert bestenfalls entsprechend sein Vorgehen. Und dann erfahren wir, dass die meisten Medien (SPON offensichtlich ausgenommen) „eingenordet“ sind auf die Regierungslinie, die laut Augstein allerdings erratisch ist, also eigentlich gar keine richtige Linie. Das Wort „eingenordet“ ist etwas vage, lässt sich aber mühelos mit „gleichgeschaltet“ übersetzen.]

 

Die Politiker stehen unter enormem Druck: Die Bürger erwarten von ihnen, die Gefahr abzuwenden. Bloß eine Minderheit meint, jeder Einzelne könne doch selbst abschätzen, welche Aktivitäten zu vermeiden sind, um einer Infektion zu entgehen. Die Politiker, mit dieser Staatsgläubigkeit belastet, wollen nicht Gefahr laufen, an den Pranger gestellt zu werden, weil sie das Virus unterschätzt hätten. Am vergangenen Mittwoch wurde also der »Lockdown« bis Mitte Februar verlängert.

 

[Die Politiker stehen laut Augstein unter Druck, weil die Mehrheit der Menschen staatsgläubig ist und wohl nicht selbst abschätzen kann, was zu tun und zu lassen ist. Das ist mehrfach interessant: Zum einen wissen wir nicht, woher Augstein diese Einsichten hat. Zum anderen sind gerade viele in meinem Freundes- und Bekanntenkreis überfordert, weil sie täglich selbst und eigenverantwortlich entscheiden sollen, ob sie sich an ihrem Arbeitsplatz einer höheren Virenlast aussetzen und vorher ihre Kinder in die Kita bringen, oder versuchen, Homeoffice zu beantragen und die Kinder dennoch in die Kita zu bringen, oder Homeoffice beantragen und die Kinder nicht in die Kita bringen. Oder wie sie als Pfleger*innen die Menschen in ihrem Heim effektiv schützen. Oder wie sie ihren Betrieb organisieren. Auf diese realen Probleme geht Augstein nicht ein, sondern deutet an, dass „die Politik“ den „Lockdown“ bis Mitte Februar verlängert hat, weil sie nicht von der Bevölkerung an den Pranger gestellt werden will.] 

 

Die Langzeitfolgen dieser Maßnahmen, die seit bald einem Jahr an- und abschwellen, werden ausgeblendet. Kurzfristiges Denken ist in einer Demokratie, um ein klinisches Wort zu verwenden, endemisch und folgt dem Turnus der Legislaturperioden.

 

[Augstein behauptet und belegt nicht, dass der Blick auf mögliche psychologische, gesundheitliche und wirtschaftliche Langzeitfolgen beim Erwägen der Maßnahmen keine Rolle gespielt hat bzw. spielt. Sie nennt die Maßnahmen hier recht direkt Folge eines kurzfristigen Denkens, wobei sich mit besserer Evidenz das Gegenteil sagen ließe: Die Lässigkeit im Umgang mit der Pandemie deutet auf kurzfristiges Denken hin.] 

 

Die deutsche Wirtschaft ist gesund und kräftig. Man kann sie aber in die Knie zwingen. Karl Lauterbach, der »SPD-Gesundheitsguru«, wie er auch genannt wird, hat schon »Betriebsschließungen« vorgeschlagen.

 

[Das liest sich so, als schlage Lauterbach „Betriebsschließungen“ vor, um die deutsche Wirtschaft „in die Knie zu zwingen“. Dass sein Vorschlag womöglich gemacht wird, um längerfristig auch die „deutsche Wirtschaft“ vor größerem Schaden zu bewahren, spielt in dieser reinen Behauptung keine Rolle. ]

 

Das kann man natürlich anordnen; man kann die Anti-Corona-Maßnahmen so weit ausdehnen, dass bloß noch große »systemrelevante« Konzerne wie Lufthansa (der Reiseveranstalter TUI gehört seltsamerweise auch dazu) dank Subventionen nicht um ihr Bestehen zu fürchten brauchen, während kleinere Mittelständler ihre Reserven aufzehren und dann Insolvenz anmelden müssen. Das hat bei jedem einzelnen Betrieb zur Folge: Entlassungen; Zubehör wird nicht mehr bestellt; bei den Zulieferern wird es dann auch eng. Und so wird die deutsche Wirtschaft sachte stranguliert.

 

[Hier mixt Augstein tatsächliche Fragwürdigkeiten der Corona-Maßnahmen-Ausnahmen (viele Betriebe sind noch geöffnet) mit einer pauschalen Verurteilung der Maßnahmen. Dieser Fehlschluss nennt sich Kompositions-Argument und hat sicher auch einen schönen lateinischen Namen.] 

 

Was arme Länder angeht, sieht es böser aus: Viele Menschen sind Tagelöhner, wenn sie nichts verdienen, haben ihre Familien nichts zu essen. Schon im Frühjahr riefen Demonstranten in Nairobi: »Wir haben mehr Angst vor dem Hunger als vor Corona.« Im vergangenen Oktober hat der Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) gesagt: »Die Menschen sterben an Malaria, Tuberkulose, HIV und anderen behandelbaren Krankheiten, weil keine Medikamente ins Land kommen und Impfkampagnen nicht stattfinden. Dazu kommt Hunger, weil Lieferketten ausgefallen sind und Arbeitsplätze über Nacht wegbrechen.« Müller sagte: »In Afrika werden mehr Menschen an den Folgen der Krise sterben als am Virus selbst.«

 

[Zunächst stellt Augstein wieder eine Behauptung auf: In den armen Ländern sieht es „böser“ aus. Dann kommt sie auf Nairobi zu sprechen und suggeriert durch das „schon“ in „schon im Frühjahr riefen Demonstranten…“, dass sich diese Haltung seitdem verstärkt und nicht verändert hat. Tatsächlich aber ist die Lage in den afrikanischen Ländern sehr heterogen und komplex. Meinen Lektüren zufolge ist die Pandemie in der ersten Welle glimpflicher verlaufen als in Europa oder den USA. Wirtschaftliche Einbußen treffen viele auf dem Kontinent dennoch hart, vor allem wohl, weil ausländische Investoren weniger investieren und Lieferketten häufiger stocken. 

 

Antworten, die uns Augstein schuldig bleibt: 1. Versuchen in den afrikanischen Ländern die Politiker ebenfalls, die staatsgläubigen Menschen durch wirre Maßnahmen zu besänftigen, um nicht an den Pranger zu kommen? 2. Was haben die deutschen Corona-Maßnahmen mit den Maßnahmen in Afrika zu tun? 3. Was wären die wirtschaftlichen Folgen, wenn Europäer wie Afrikaner (noch mehr) auf Eigenverantwortung im Umgang mit der Pandemie setzen würden, wie es Augstein vorschlägt? Schwebt Augstein der „schwedische Weg“ vor, der gescheitert ist?] 

 

Das deutsche Gesundheitswesen ist gut. Darauf verlassen wir uns und finden Lockdowns klug.

 

[Nanu? Ich weiß nicht genau, was die Autorin sagen will und wer "wir" sind. Ich würde eher formulieren: Das deutsche Gesundheitswesen hat begrenzte Kapazitäten, deswegen sind kluge Lockdowns nötig, um die Intensivstationen nicht zu überlasten, was nämlich zur Folge hätte (und mancherorts hat), dass Menschen mit Herzinfarkten oder Schwangere nicht behandelt werden können. Oder man per Triage, ältere Menschen dem Tod überantwortet, um jüngere Menschen behandeln zu können. ]

 

Weil viele nötige Operationen wegen »Corona« verschoben wurden, weil die Intensivstationen nicht ausgelastet gewesen sind, weil deshalb viele Krankenhäuser ihre Belegschaft 2020 in Kurzarbeit geschickt haben, musste die Bundesregierung Ende Dezember den Krankenhäusern staatliche Hilfe versprechen.

 

[Was Augstein wohl formulieren möchte, ist: Es wurden im Frühjahr wichtige Operationen verschoben, weil man genug Kapazitäten für Coronapatienten bereit halten wollte, die dann nicht in dem Maße eintrafen (weil die halbwegs rechtzeitigen Lockdown-Maßnahmen gegriffen haben). Den Rest dieses Absatzes verstehe ich nicht.] 

 

Dessen ungeachtet, herrscht einigermaßen Konsens: Alles was geschlossen werden kann, müsse geschlossen werden, und möglichst wenige Menschen sollten einander treffen.

 

[Gäbe es diesen Konsens, dann wäre wohl alles geschlossen, was geschlossen werden kann. Dem ist aber nicht so, wie ja Augsteins eigenes Lufthansa-Beispiel zeigt. Dass sich möglichst wenige Menschen treffen sollten, um das Infektionsrisiko gering zu halten, ist tatsächlich Konsens, und zwar medizinischer, virologischer, epidemiologischer. Und auch gesunder Menschenverstand.] 

 

Oliver Lepsius, er lehrt Verfassungstheorie und öffentliches Recht in Münster, monierte in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, dass »ohne Ansehen von Wirkungsketten die Kontaktaufnahmen« pauschal reduziert würden. Das treffe besonders ältere Menschen: Die könnten sich nun nicht mehr in Schwimmbädern und Fitnessstudios »ihre Beweglichkeit erhalten«. Die großflächigen Maßnahmen hält er für »Ausdruck der Hilflosigkeit der Politik: Kritische Nachfragen werden mit dem Hinweis pariert, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass man sich beim Theaterbesuch oder auf dem Weg dorthin infiziere. Solche Negativbeweise aber gibt es nicht«.

 

[Nun ist es ja schön, dass Augstein mit Lepsius einen Juristen aufrufen kann, aber es gibt auf der Gegenseite weltweit Virologen wie Drosten, die nicht nur eine andere Sichtweise formulieren, sondern damit in einigen Ländern das Virus recht erfolgreich eingedämmt haben. Vor allem:Um Wirkungsketten nachvollziehen zu können, muss das Infektionsgeschehen unter Kontrolle sein, also einen niedrigeren Inzidenzwert haben als aktuell.] 

 

Die Anti-Corona-Maßnahmen gehen einher mit der Infantilisierung der Bürger.

 

[Wieso?]  

 

So hatte Karl Lauterbach im November gemahnt: Die Leute sollten »nicht so viel shoppen«, auf das »familiäre Zusammensein« komme es an. Dann wurde für die Weihnachtstage der Ukas erlassen, je nach Bundesland verschieden, dass nur soundso viele Menschen einander treffen dürften. Der Bundesgesundheitsminister Spahn erklärte: Bei den Weihnachtseinschränkungen sollten die Bürger bedenken, »dass die an oder mit Corona Gestorbenen gar kein Weihnachten mehr feiern können«. Manche mochten bei diesen Worten an eine sprichwörtlich gewordene Ermahnung vom Beginn der Siebzigerjahre erinnert sein: Wenn die Sprösslinge keinen Appetit hatten, wurden sie beschieden: Iss!, denk an die armen Kinder in Biafra, die gar nichts zu essen haben.

 

[Hier verwechselt Augstein die von manchen praktizierte Kommunikation der Maßnahmen mit den Maßnahmen selbst. Sie verwechselt außerdem Ansprachen, die ein wenig nach Kindergarten klingen, damit, dass die Menschen durch solche Ansprachen auch zu unmündigen Kindergartenkindern werden. Unabhängig davon, ob man Augsteins Sichtweise teilt oder nicht: Das ist sehr ungenau geschrieben und gedacht. Und auch wieder kein Argument gegen Betriebsschließungen.]

 

In Berlin, um ein Bundesland herauszugreifen, war die Zahl der an Weihnachten feiern Dürfenden auf fünf Personen von mehr als 14 Jahren beschränkt. Für die Wahl genau dieses Alters wurde keine Begründung gegeben. Kam man vielleicht darauf, weil ein Kind vom 14. Lebensjahr an strafmündig ist? Zwei Eltern plus zwei entsprechend alte Teenager macht zusammen vier. Da mussten Großeltern, mussten Tanten und Onkel sich überlegen, wer zu Hause bleibe. Soviel zum »familiären Zusammensein«.

 

[Ja, das war das Gießkannenprinzip. Und ein Kompromiss. Darüber kann man passiv-aggressiv maulen („Soviel zum „familiären Zusammensein“). Das wirkt dann halt nur etwas infantil.]

 

Fachleute wissen seit Monaten, dass die Bekämpfung von Corona nicht bloß ins Geld geht, sondern den Menschen auf die Seele.

 

[Das ist richtig. Das wissen auch Nicht-Fachleute. Ich muss nur mich selbst angucken.]

 

Das Sterben der Alten in den Heimen geht indes weiter. Ein Grund, der da mit hineinspielt, ist grauenhaft simpel: Es gibt zu wenige Pflegekräfte; viele alte Menschen haben keinen Durst; als die Angehörigen im Frühjahr Mama oder Papa nicht besuchen und nicht zum Trinken nötigen durften, siechten die dahin – man weiß nicht, wie viele letztlich an Vereinsamung und Mangel an Flüssigkeit starben. Was stand dann auf dem Totenschein?

 

[Ja, es gibt einen Mangel an Pflegekräften. Ja, die Lage ist alles andere als gut organisiert. Und zwar eben genau weil so viel eigenverantwortlich gelöst werden soll! Hier gibt es enorme Versäumnisse über die z.B. Frédéric Valin kenntnisreich geschrieben hat. Ob die vor allem daran festzumachen sind, dass die Angehörigen täglich (mehrmals) die Senior*innen zum Trinken motivieren, wage ich allerdings zu bezweifeln.]

 

Derzeit wird gesagt, jemand sei »an oder mit« Covid-19 gestorben. Was heißt das eigentlich? Das Virus bringt in Deutschland vor allem alte kranke Menschen ums Leben. Die meisten werden nach ihrem Tod nicht obduziert. Man weiß in Wahrheit nicht genau, woran die Menschen tatsächlich gestorben sind: War es Covid-19 oder hat Covid-19 den Schwerkranken sozusagen den Rest gegeben? Es ist gut, dass darüber debattiert wird. Leider weiß man halt zu wenig.

 

[Es ist richtig, dass man noch nicht genug weiß (siehe zum Beispiel hier.) Aber es sind durchaus schon einige Menschen obduziert worden. So sagen u.a. einige Lungenärzte, dass die meisten an und nicht mit Corona sterben (siehe hier). Es gibt mehrere Pathologenverbände, die sich ebenfalls entsprechend äußern (siehe hier). Überhaupt muss man Augstein mal die Frage stellen: Wenn Corona ja nun doch womöglich gar nicht so schlimm ist, wie von ihr im Eröffnungssatz skizziert, und „vor allem alte kranke Menschen“ (sie meint alte und/oder vorerkrankte) tötet, bei denen man dann aber gleichzeitig nicht weiß, woran sie gestorben sind: Wieso werden dann weltweit Maßnahmen ergriffen, häufig schärfere als in Deutschland? Weiß Augstein etwas, das die Mehrheit der Ärzte und Wissenschaftlerinnen rund um den Globus übersehen?] 

 

Der Soziologe Wolfgang Streeck – mit dem Virologen gleichen Namens ist er nicht verwandt – hat neulich in der »FAZ« einen Vorschlag gemacht. Geld, merkte er an, sei offenbar derzeit in Fülle vorhanden. »Warum wissen wir dann nicht«, fragte Streeck, »was wir wissen könnten, wenn wir die eine oder andere repräsentative Umfrage veranstalten würden«. Es müsse doch herauszufinden sein, wie viele Menschen infiziert sind; wie viele von denen es nicht wissen; wie die »Infizierten sich von den Nichtinfizierten in Sozialprofil und Kontaktverhalten unterscheiden, wer die Risikogruppen sind und welches die Risikoorte«.

 

[Es gab mal eine Tracing-App. Die Älteren erinnern sich. War nicht so gut gemacht. Ja, das kann man kritisieren.] 

 

Streeck zufolge hätten längst schon etliche Hunderte, gut instruierte Soziologiestudenten zu »langen qualitativen Interviews ausschwärmen« sollen. »Teuer, zugegeben«, schreibt er, »aber nichts im Vergleich zu dem, was die nicht enden wollenden Lockdowns kosten.«

 

[Wenn das der einzige Gegenvorschlag zu den bisherigen Maßnahmen ist, dann bin ich mir nicht so sicher, ob sich Frau Augstein mit diesem Artikel zur  Pandemie-Beraterin empfiehlt.]

 

Die Bundesregierung, die Regierungen der Länder hinterher, lässt sich von Leuten beraten, die sich mit Viren auskennen und mit mathematischen Modellen.

 

[Zum Glück. Und sie lässt sich auch von Juristen, Psychologen und Streecks (der eine wie der andere) beraten. Nicht gut?]

 

So kam es dazu, dass Grundrechte mir nichts, dir nichts ausgesetzt wurden.

 

[Nein. Die Grundrechte wurden nicht ausgesetzt. Nur weil das Ken Jebsen täglich sagt, wird es nicht wahrer. Sie wurden teilweise eingeschränkt und zwar konform zum deutschen Grundgesetz, das auch Regierungs-Handlungsspielräume für Krisen vorsieht. Dennoch kann man über die Verhältnismäßigkeit der verschiedenen Einschränkungen diskutieren, was auch sowohl in den (sozialen) Medien als auch im Bundestag getan wird.] 

 

So kam es dazu, dass das gesellschaftliche Leben kaltgestellt wurde. Manche wünschen, dass auch die Wirtschaft endlich schließen solle, möglichst komplett.

 

[Virologen und Mathematiker als (einzige) Berater der Regierung haben das gesellschaftliche Leben kaltgestellt. Meint Augstein. Und erwähnt nun indirekt die Zero-Covid-Kampagne.]

 

Es gibt tatsächlich Leute, die meinen, das Virus Sars-CoV-2 könne ausgemerzt werden. Die unerfreuliche Botschaft für die Vertreter dieser Meinung: Deutschland ist keine Insel.

 

[Vietnam auch nicht. Großbritannien hingegen schon. So leicht kann man sich an dieser Stelle das Argumentieren nicht machen.] 

 

Das Virus ist da, und es wird – samt Mutationen – bleiben. Da helfen kein Lockdown und keine Grenzschließungen.

 

[Diesen Satz sollte man sich auf ein Tüchlein sticken und Augstein in zwei Jahren per Post senden. Herrschaftszeiten: Es ist ein Riesenunterschied, ob das Virus stark eingedämmt und nachverfolgbar wird, oder ob es sich unkontrolliert verbreitet. Zumindest sagen das die meisten Menschen, die sich mit der Thematik beruflich länger als fünf Tage befassen. Das lässt sich auch von Laien recherchieren.]

 

Und bis die meisten geimpft sind, wird es noch Monate dauern.

 

[Eben!]

 

Nützlich wäre herauszufinden, wie und wo das Virus sich verbreitet.

 

[Stimmt!]

 

Unsäglich ist die Vorstellung, dass auch 2021 viele Menschen in Einsamkeit versinken und den wirtschaftlichen Ruin dulden sollen.

 

[Dazu ein Hinweis: Je später Lockdown-Maßnahmen gestartet werden, desto länger müssen sie durchgezogen werden. Desto mehr Einsamkeit und Ruin. Dazu Drosten jüngst (siehe hier).] 

 

Und das auf welcher Grundlage? Die traurige Antwort: Mangel an Wissen.

 

[Ein passendes Schlusswort am Ende eines schludrig geschriebenen Artikels, der nicht klarmacht, welche Expertise die Autorin hat. Woher stammt ihr Wissen? Die wenigen von ihr erwähnten Autoritäten sind ein Jurist, ein Soziologe und ein CSU-Minister. Gut es ist eine Kolumne, ein Meinungsstück. Aber ist beim Thema Pandemie eine Meinung ratsam, die anderen Mangel an Wissen nachsagt? Wenn es Augstein um Wissen ginge, um die Frage, wie die bestmögliche Bekämpfung der Pandemie aussehen sollte, dann sollte sie sich auf Maßnahmen in Ländern beziehen, die erfolgreich gegen das Virus vorgegangen sind. Es ist verblüffend, dass die Autorin das nicht tut.]  

 

Homepage der Autorin: www.augstein.org.

Wer ihr eine Mail schreiben will (bitte taktvoll bleiben, seid keine Arschlöcher!): E-Mail